Nachdem wir bereits Alexander Ofer, der als "Käptn" durch seinen sehr autoritären Führungsstil die Unterstützung der Basis verlor, abgewählt haben, sind wir nun sehr vorsichtig bei der Neustrukturierung der Piraten Partei Tirol. Wir möchten künftig verhindern, daß eine Funktion bzw. ein Amt innerhalb der Partei ein Machtgefälle provoziert. Insofern studieren wir momentan sehr aufmerksam wie andere Piratenparteien ihre Organisationsstrukturen gestalten, damit wir Input bekommen, welche Form der Strukturen auch für uns passen könnte.
Wenn ich mich hie und da in den Foren unserer Schwesternpartei, der Piratenpartei Österreich, tummle, so lese ich immer wieder von "Organen". Diese Organe betreffen etwa Funktionen wie die Bundesgeneralversammlung (BGV), den erweiterten Bundesvorstand (EBV), den Bundesvorstand (BV), die diverses Taskforces (TF, Arbeitsgruppen), die Landesvorstände, die Basis und diverse neutrale Instanzen (Rechnungsprüfer, Schiedsgerichte,...). Die Organe werden weitgehend basisdemokratisch bestimmt.
Oha...die Basis ist aber auch ein Organ? Wer ist denn nun aber eigentlich "die Basis"? Darüber streiten sich nämlich gerade die Geister in der PPÖ, wenn es um die Teilnahme an Abstimmungsmedien geht. Ist die Basis nun die Anzahl der an Liquid Feedback angemeldeten 123 Teilnehmer, sind es die rund 300 zahlenden PPÖ-Mitglieder oder ist es die Gesamtheit der etwa 1200 PPÖ-Mitglieder, die leider größtenteils bislang keine Mitgliedsbeiträge geleistet haben...oder sind es die Handvoll Forenteilnehmer, die gerade am lautesten schreien, daß sie selbst die Basis sind?
Basisdemokratie kann es nicht allen recht machen. Und genau das macht es so schwierig...es handelt sich dabei ja quasi um ein mathematisches Problem. Nehmen wir an, es gibt 300 zahlende Mitglieder, so haben wir 300 mögliche Zahler, respektive Zähler, aber nur einen Nenner, nämlich "300". Wenn nun beispielsweise 203 Mitglieder einen gewählten Vorstand und seine Arbeit unterstützen, sich weitere 46 Mitglieder einer Meinung enthalten, und weitere 51 Mitglieder einen Vorstand nicht unterstützen, so kann man das auf folgende Art und Weise interpretieren:
Wir haben nun 203 zufriedene Mitglieder; 46, denen es weitgehend egal ist und 51 Mitglieder, die unzufrieden sind.
Betrachten wir einmal den Zustand, in dem sich diese Menschen nun nach ihrer Abstimmung befinden:
- "Die Menschen sind so gut und glücklich, wenn das Gute sie eint, verbindet und zusammenschließt!" (Denis Diderot)
- "Unentschlossenheit ist auch eine Feigheit: Willensfeigheit." (Carl Spitteler)
- "Der unzufriedene Mensch findet keinen bequemen Stuhl." (Benjamin Franklin)
Die Unentschlossenen hingegen lehnen sich zurück und warten ab, denn um eine Entscheidung zu treffen, hatten sie entweder noch nicht genug Information, oder es fällt ihnen generell schwer Stellung zu beziehen, da sie möglicherweise Angst vor Fehlentscheidungen haben.
Das ganze wird noch komplexer dadurch, daß von den 300 Abstimmungsberechtigten nicht alle an einer solchen Abstimmung, wie im soeben dargelegten fiktiven Beispiel, teilnehmen würden.
Fakt ist: es gibt auch in den Piratenparteien einen hohen Prozentsatz an Nichtwählern. Das sind Menschen, die es zwar begrüßen theoretisch eine Wahlmöglichkeit zu haben, aber in der Praxis keine Lust darauf haben, dieses Wahlrecht auszuüben.
Das Problem, das Piratenparteien nun haben, das ist, daß es immer einen gewissen Prozentsatz an Unzufriedenen gibt. Im allgemeinen ist dieser Prozentsatz nicht besonders hoch, dennoch ergeben sich in einer basisdemokratischen Partei dadurch Schwierigkeiten.
In Niedersachsen nahmen unzufriedene Parteimitglieder ihre parteiinterne Oppositionsrolle sogar so ernst, daß sie den Parteitag durch Einsprüche so lange störten, daß die Wahl der Landesliste für ungültig erklärt wurde, und unter großem Aufwand neu gewählt werden mußte.
Ein derartiges Blockieren kratzt nicht nur am Image der Piraten, vielmehr verdrießt es auch jenen ihr Engagement, die sich ehrenamtlich mit viel Zeit und unter Aufwendung persönlicher Ressourcen für die Partei betätigen. Die deutschen Piraten sagen daher nun den Querulanten in den eigenen Reihen den Kampf an - bei einer Mitmachpartei ist Einsatz gefordert, nicht Blockade aufgrund persönlicher Befindlichkeiten.
Die Basis ist die Gesamtheit der Piraten, die Unzufriedenen sind daraus nur eine kleine Schnittmenge und auch sie müssen lernen, daß im piratischen Diskurs das einzelne Ego nicht über der Basis steht. Genau genommen ist jedes "Organ" bzw. jeder Funktionär und jeder Vorstand auch ein Teil der Basis, denn auch ihm/ihr steht bei Abstimmungen dasselbe Stimmrecht zu wie allen anderen Basismitgliedern.
Wir müssen uns immer wieder ermahnen, daß wir als Piraten übergeordnete Ziele verfolgen, und uns nicht nur um uns selbst drehen sollten - wir wollen die Politik durch Schwarmintelligenz verändern und direkte Demokratie für die Bürger einfordern. Wir brauchen aber unsere Vorstände und Funktionäre bzw. "Organe": sie sind es, die ihre Person, ihre Freizeit und ihr Engagement der Parteiarbeit widmen. Sie sind die Ansprechpartner der Öffentlichkeit. Sie ernten zwar die meiste Aufmerksamkeit, aber auch den meisten Spott und Hohn - Politiker aus Notwehr zu sein, das ist kein Honiglecken.
Das Wahljahr 2013 bringt noch viele Herausforderungen mit sich - wir sollten zusammen an einem Strang ziehen anstatt uns einen Strick zu drehen.
Eure Irene