Samstag, 17. August 2013

Neues aus Zenhaus



Neues aus Zenhaus.

Unserer Demokratie geht es schlecht. Das ist jetzt nichts Neues. Dass daran die Nichtwähler schuld sind, ist ebenfalls nichts Neues. Weil aber der Neuigkeitswert ein wichtiges Kriterium für eine Zeitungsveröffentlichung ist, hat Mario Zenhäuser, Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung, etwas wirklich Neues herausgefunden.
Schuld am Niedergang der Demokratie sind neben den Nichtwählern auch die kleinen Parteien, wie etwa die Piraten.

Wie das, fragt man sich. Wie sollten Menschen, die vermutlich nicht nur wählen gehen, sondern auch Freizeit und oftmals auch Geld opfern, um ihre Vorstellungen einer besseren Politik den MitbürgerInnen zu vermitteln, der Demokratie denn schaden?

Ja, analysiert Zenhäuser, sie nehmen den großen Parteien die Stimmen weg, ohne selbst ein Mandat zu bekommen. Und dieser heimtückische Stimmendiebstahl hat zur Folge, dass die Gewählten mit weniger Stimmen gewählt werden, also weniger legitimiert sind.



Nun werfen wir doch einmal einen Blick auf das Landtagswahlergebnis 2013 und suchen einmal die Zenhäuser'schen Bösewichter. Die Piraten gehören sicher dazu. 1207 Stimmen haben sie schamlos den Großen geklaut. Aber es geht noch wesentlich schlimmer.
Beim Bürgerforum Tirol stehen doch glatt 15.326 Stimmen die, hätte sich Herr Gurgiser dem Stricken statt der Politik gewidmet, die Legitimität etwa der ÖVP-Abgeordneten deutlich erhöht hätten.

Komisch ist nur, dass die TT-Analyse davon spricht, dass für ein Mandat nur mehr 7389 Stimmen notwendig waren.
15.326 Stimmen sind doch mehr als das Doppelte davon. Trotzdem ging das Bürgerforum leer aus.
Die Lösung ist ganz einfach.
Schnäppchenmandate für 7398 - 8893 Stimmen gibt es nur für die Großen.
Gurgiser, aber auch die anderen Kleinen, hätten für das erste Mandat 15.842 Stimmen hinblättern müssen. Grund dafür ist die 5 Prozent Sperrklausel. Und so gibt es das erste Mandat erst ab diesen 5 Prozent und nicht, hätten wir eine rein proportionale Mandatsverteilung in Tirol, bei 2,78 Prozent.

Noch krasser ist das ganze bei der Nationalratswahl. Hier gibt es eine 4 Prozent Sperrklausel. Das schaut jetzt zwar schon etwas besser aus, ist es aber nicht. Über 183 Sitze sind im Nationalrat zu vergeben. Wäre jede Stimme gleich viel wert, müsste das erste Mandat bereits mit 0,55% der Stimmen zu erzielen sein.

Dass also nicht die kleinen Parteien den Großen die Stimmen wegnehmen, sondern die Großen, mit ihrem Wahlsystem, den Kleinen die Mandate, hat vermutlich zu wenig Neuigkeitswert um berichtet zu werden.

Autor: Wolfgang Samsinger
Bildquellen: internet, Foto von TT Artikel



3 Kommentare:

  1. Ich habe das Tiroler Landtagswahlrecht nicht im Kopf, aber bei der NRW berechnet sich die Wahlzahl aus den gültig abgegebenen Stimmen in den jeweiligen Landeswahlkreisen. D.h. ob Kleinparteien in das Parlament einziehen oder nicht ist für die Wahlzahl unerheblich. Entscheidend sind die gültig abgegebenen Stimmen (also auch nicht die Wahlbeteiligung, die umfasst nämlich auch die ungültigen Stimmen).

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  2. Genau solche "Artikel" (wie der vom Zenhäuser) sind meiner Meinung nach maßgeblich dafür verantwortlich, dass viele Kleinparteien keinen Parlamentseinzug schaffen - sie versuchen den Wählern (unbegründet, bzw. vll. durch Zuwendung einer Großpartei "begründet") einzureden, dass eine Stimme für Kleinparteien wertlos ist ("weil sie den Einzug eh nicht schaffen") oder sogar der Demokratie schadet (wie hier)...

    Unfassbar dieser "Journalismus"...

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    1. Du triffst den Nagel auf den Kopf. So eine Form des Journalismus ist tendenziös und schadet der Demokratie. Vielmehr rät der Journalist hier den Wählern ab Kleinparteien zu wählen und stützt damit das etablierte System. Einen Artikel mit ähnlichem Inhalt (in derselben Zeitung) haben wir übrigens schon einmal hier im Blog erörtert: http://piratenparteitirol.blogspot.co.at/2013/01/iq-test-in-der-wahlkabine.html

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