Dienstag, 26. Februar 2013

Die Hyperdemokratie der Grille

Heute hat jemand zu mir gesagt, es wäre schon sinnvoll, daß es bei Wahlen Sperrklauseln, wie z.B. die 5%-Hürde für das erste Mandat zur Tiroler Landtagswahl, gibt. Es würde ja sonst womöglich 10 Parteien im Landtag oder im Parlament geben, was dann unter Umständen dazu führen könnte, daß es keine klaren Mehrheiten mehr gäbe - das Land wäre dann nicht mehr regierbar.

Aus piratischer Sicht sind erhöhte Prozenthürden bzw. Sperrklauseln absolut undemokratisch, denn da z.B. der Tiroler Landtag aus 36 Abgeordneten besteht, dann ist es unverständlich, weshalb für das erste Mandat 5%, also 1/20 der Stimmen, nötig sind. Das impliziert ja, daß die Stimmen der Wähler einer Partei, die nur das erste Mandat schafft, weniger wert sind als jene von Großparteien, die mehrere Mandate erhalten.

Auch die italienischen Wahlen haben gestern Befürchtungen hervorgerufen, daß Italien möglicherweise ohne Koalitionen unregierbar würde. Das ist eine Denkweise, die man nur mit der Brille des gewohnten, etablierten Systems nachvollziehen kann.
Wenn man, wie die Piraten, direktdemokratische Entscheidungsprozesse und eine Erneuerung der politischen Strukturen fordert, dann kann man Italiens Wahlergebnis äußerst gelassen betrachten.

Beppe Grillo, der mit seiner Bewegung "5 Sterne" ("5 stelle") gestern einen Erdrutschsieg landete, lehnt Koalitionen ab und erläutert das Konzept seiner Gruppierung:
Hierarchielos, mit der Intelligenz von Tausenden. Bei uns hat jeder gleich viel Gewicht. Das ist Hyperdemokratie.
http://www.milborn.net/base/blog/beppe-grillo:-italiens-clown-pirat1
In seinen Augen sind Regierungskoalitionen ein Modell von gestern. Im Grunde braucht eine Politik, in welcher der Bürger sein Mitbestimmungsrecht auch außerhalb der Wahlen behält, auch gar keine Regierungskoalitionen mehr. Auch Klubzwang ist von diesem Standpunkt aus überflüssig. Man konzentriert sich auf Inhalte, diese werden objektiv aufbereitet und zur Abstimmung vorgelegt. Politiker würden in erster Linie zu Informationsdienstleistern der Bürger.

Ich finde es traurig, daß viele Menschen sich durch medial transportierte Horrorszenarien eines in politisches Chaos stürzenden Italiens so beeindrucken lassen. Ich sehe Grillo´s Erfolg als positives Signal für Veränderung und das Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Die Kandidaten seines Teams spiegeln die Vielfalt aller Bürger wieder. Angesichts dessen, daß alle anderen Parteien Italiens völlig überaltert sind, ist diese Tatsache durchaus bemerkenswert und signalisiert den Aufbruch von jungen, politisch unverdrossenen Leuten, welche ihre Gegenwart und die Zukunft ihrer Kinder selbst in die Hand nehmen.

Die neue Bewegung begann ihren Siegeszug auf lokaler Ebene. Seit Mai 2012 ist der „Grillino“ Federico Pizarotti Bürgermeister von Parma. Er kämpft seither gegen die hohe Verschuldung der norditalienischen Stadt und versucht zu sparen, etwa bei den Gehältern der kommunalen Angestellten und bei den Repräsentationskosten. Trotz Krise will er aber mehr Geld für die Bildungsarbeit ausgeben. Der 1973 geborene Computertechniker Pizarotti wurde mit 60 Prozent der Stimmen gewählt und seither ließ die Zustimmung für ihn nicht nach. Der bescheiden auftretende Mann ist eines der Aushängehängeschilder der Grillo-Bewegung.
So wie er sollen auch die zukünftigen Abgeordneten und Senatoren für Italien arbeiten: der Lehrer aus Neapel, die Krankenschwester aus den Abruzzen, eine Mitarbeiterin in einer Speditionsfirma in Mailand, ein Kleinunternehmer aus Padua, der im Umweltschutz aktiv ist, und eine Ärztin aus Verona. Frauen und Männer waren auf Grillos Liste etwa gleich stark vertreten. Die meisten Kandidaten sind Akademiker oder Facharbeiter. Im Schnitt sind die neuen Abgeordneten der „Bewegung fünf Sterne“ um die 30 Jahre alt.
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/grillini-in-italiens-parlament-zwischen-klamauk-und-koalition-12094465.html

Autorin: Irene Labner
Bildquelle: il grillo parlante, wikipedia

2 Kommentare:

  1. Danke für diesen Artikel - wohltuend anders als das, was die alteingesessenen Medien seit gestern so vor sich hin speien!

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  2. Wow! Ein wirklich sehr guter Artikel. Man ist ja hier eh Gutes gewöhnt, aber da kommt jetzt noch mehr Freude auf!

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