Montag, 12. November 2012

Piraten spritzen Haschisch!

Ok, ich gebs ja zu, der Titel dieses Artikels ist reißerisch, aber heutzutage muß man Infos schon marktschreierisch unters Volk bringen, wenn man die Leute noch erreichen möchte.

Nachdem - parallel zu den Präsidentschaftswahlen in den USA -die Bundesstaaten Washington und Colorado Marjuhana als legales Genußmittel eingestuft haben, ist nun auch bei den österreichischen Piraten die Diskussion über eine Freigabe von Cannabisprodukten entflammt. Warum plädieren Piratenparteien hierzulande, aber auch international, für eine legale Nutzung von Cannabis? Wollen die sich einfach nur die Birne zukiffen? Oder steckt vielleicht mehr dahinter?

Wie ist denn nun die konkrete Rechtslage in Österreich?
Hanf zur Rauschmittelgewinnung darf in Österreich nicht erzeugt, weitergegeben oder konsumiert werden. Auch der Besitz ist bereits strafbar und kann nach §27 des österreichischen Suchtmittelgesetzes mit einer Freiheitssrafe bis zu 1 Jahr geahndet werden. Gewerbsmäßige Weitergabe wird mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe bestraft.
Zur Arzneimittelgewinnung darf Hanf ausschließlich von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) und ihren Subunternehmen hergestellt werden.
Der Anbau von Nutzhanf (in 42 EU-zertifizierten Sorten, z.B. für Textilien, Dämmungen, Einstreu, Futtermittel...) ist in Österreich legal (in Deutschland ist er übrigens genehmigungspflichtig).
Hanfsamen jeglicher Art dürfen in Österreich übrigens legal vertrieben werden, da sie noch kein THC (Tetrahydrocannabinol) enthalten.

Der Suchtmittelbericht 2011 des Innenministeriums hält 14.428 Anzeigen aufgrund von cannabisbezogenen Delikten fest. Das sind fast die Hälfte aller gezählten Suchtmitteldelikte! Bei den 14-18jährigen konnte innerhalb von 3 Jahren eine Zunahme der Erstkonsumenten auf fast das doppelte Ausmaß festgestellt werden. Und was sagt uns das? Kiffen die Youngsters heutzutage denn soviel mehr als damals in den Sixties?

In meinen Augen hat die bisherige Drogenpolitik versagt, denn diese Zahlen bedeuten übersetzt, daß Tausende junger Leute zu Kriminellen abgestempelt wurden. Hinzu kommt, daß Cannabiskonsumenten durch die Illegalität von Cannabisprodukten genötigt sind den Schwarzmarkt aufzusuchen. Und erst dort kommen sie dann in Kontakt mit verantwortungslosen Dealern, die neben weichen Drogen wie Cannabis auch harte Drogen feilbieten. Je öfter jemand am Schwarzmarkt einkauft, desto eher sinkt dann auch die Hemmschwelle verbotene Dinge zu tun. Es wird mit der Zeit zur Gewohnheit sich bei einem Dealer mit den gewünschten Drogen einzudecken, und selbst in illegale Dealergeschäfte einzusteigen um den Eigenkonsum finanziell auszugleichen.

In den Niederlanden darf schon seit Jahrzehnten legal Cannabis konsumiert werden - vertrieben wird es über "Coffee-shops", die dem staatlichen Monopol unterliegen. Besonders interessant ist, daß die niederländischen Bürger einen vergleichsweise geringen Marjhuana-Konsum haben. Da kiffen die Spanier gut doppelt soviel :-)


















 
Daß in den Niederlanden ab 1. Jänner 2013 der Besuch von Coffee-Shops für Touristen verboten ist, das mutet insofern etwas seltsam an, da dem Staat dadurch einiges an Geldern durch die Lappen geht, viele Coffee-shops schließen müssen und unzählige Leute ihren Job verlieren. Hinzu kommt, daß der Schwarzmarkt dadurch angekurbelt wird. Warum schließt ein Land einen florierenden Tourismuszweig, und warum zwingt dieses Land die einheimischen Cannabiskonsumenten zu einer Registrierung für den Erwerb von Cannabis im Coffeeshop (Cannabis-Ausweis)? Seltsam.
Zumindest der "Hasch-Pass" wurde wieder abgeschafft, da der illegale Handel mit Cannabis durch die bereits im Mai in drei Provinzen umgesetzten Maßnahmen explodierte.

Die Schweizer hatten Ende der Neunziger Jahre ebenfalls einen sehr liberalen Umgang mit Cannabis. Ab 2004 wurde Cannabis wieder kriminalisiert und seit 2011 ist es nur mehr als Arzneimittel unter kontrollierter Abgabe erlaubt. Offenbar wurde allerdings der Schwarzmarkthandel dadurch wieder so stark angekurbelt, daß derzeit der Anbau für den Eigenbedarf, sowie die Einführung von "Cannabis-Clubs" geprüft werden. Seit Sommer 2012 wird Cannabisbesitz und -konsum in der Schweiz zumindest nicht mehr mit einer Strafanzeige geahndet, sondern lediglich mit einer Geldstrafe.


Was lernen wir daraus: Verbot und Kriminalisierung von Cannabis fördert den Schwarzmarktvertrieb und nützt letztlich nur Dealern und Drogenkurieren. 

Die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Gesundheit sind umstritten - sie differieren nicht zuletzt auch nach Art der Konsumation, Alter der Konsumenten und vielen anderen Faktoren. Selbiges trifft aber umso mehr noch auf Alkohol zu, der Kulturdroge Nr.1 in Europa. 
Daß Cannabis als "Einstiegsdroge" für eine tragische Drogenkarriere gilt, das hat vielmehr mit der Tatsache zu tun, daß Konsumenten genötigt zum Cannabiserwerb auf den Schwarzmarkt auszuweichen, wo ihnen auch andere, härtere Drogen feilgeboten werden und ihnen nicht selten "gestreckte Ware" untergejubelt wird. Immer öfter weichen Cannabiskonsumenten auch auf legal übers Internet verfügbare "Kräutermischungen" (Legal highs) aus, die wesentlich heftigere psychische und physische Folgen mit sich bringen können.

Die meisten Piratenparteien in Europa sagen daher, daß eine Legalisierung, oder zumindest eine Entkriminalisierung, die richtige Vorgangsweise in der modernen Drogenpolitik ist. Prohibition und Kriminalisierung fördern nur eine Verlagerung des Cannabishandels auf den Schwarzmarkt. Eine weitere Folge davon ist, daß neuere potentere Sorten gezogen werden, damit kleinere Mengen geschmuggelt werden können. Ähnlich wie bei der Alkoholprohibition in den USA der 20er und 30er-Jahre werden außerdem Cannabisprodukte mit Streckmitteln versetzt. Das bringt unkontrollierbare Risiken für Konsumenten mit sich.


In Österreich dürfen bereits 16-jährige Bier und Wein trinken. 1/6 der Österreicher trinkt Alkohol in bedenklichem Ausmaß - etwa 5% der Österreicher gelten als alkoholkrank. Etwa 100 Österreicher sterben pro Jahr an einer Alkoholvergiftung. Von den jährlich etwa 80.000 Gesamttoten Österreichs sind 10% Alkoholiker, wobei diese im Schnitt um 20 Jahre früher versterben.

Im Jahr 2011 gab es österreichweit 2.241 Verkehrsunfälle mit Beteiligten unter Alkoholeinfluß - dabei wurden 3.032 Personen verletzt und 51 Menschen getötet. Dieser historische Tiefststand ist immer noch zu hoch. 
Im Vergleich dazu starben im Jahr 2011 in Österreich 177 Leute durch nicht konkret definierten Drogenkosum. Verläßliche Angaben über etwaige Cannabistote oder Unfallopfer unter Cannabiskonsum konnte ich zum jetzigen Zeitpunkt leider keine finden. Irgendwie scheint dieses Forschungsgebiet wenig fruchtbar zu sein, daher ist es umso verwunderlicher, daß Cannabiskonsum so kriminalisiert wird.

Dieser Artikel hier könnte eine Never-Ending-Story werden, dennoch sollte ich langsam zum Ende kommen.

Vielleicht werde ich das Thema in absehbarer Zeit nochmals aufgreifen um es von verschiedenen Seiten zu beäugen. Bis dahin freue ich mich über Kommentare :-)

Eure Irene 

Autorin: Irene labner
Bildquellen: www.chacha.com; EBDD (Europ. Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht)

9 Kommentare:

  1. Vorige Woche stand in der "Kronen Zeitung" zu lesen, daß sich ebenfalls ein Drittel der österr. Richter für eine Änderung des Gesetzes für Konsum weg vom Straftatbestand hin zur Verwaltungsübertretung ausgesprochen haben.

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  2. sehr schöner bericht, stimme dir eigentlich in allen punkten zu.

    lg
    ein pirat aus oö

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  3. Super Recherche, die journalistische Ader kommt zum Vorschein. Daß Verbote wenig bringen, dürfte sich doch langsam durchsprechen

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  4. Sehr schöner Text! Passt auch gut zu: https://piratenpartei.at/piraten-fordern-sofortige-freigabe-von-cannabis/

    Ich hab nur ne ganz kleine Kritik: Bitte lasst uns Cannabis sagen nicht Marijuana, dieser Begriff wurde absichtlich negativ und rasssistisch geprägt.

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  5. Es gibt ein nicht erwähntes Argument: Das "Suchtgift" Cannabis ist weder das eine noch das andere. Weder kann man auf Cannabis körperlich süchtig werden, noch ist bei zu viel (wieviel auch immer das sein mag) Cannabiskonsum mehr als ein wenig Übelkeit zu erwarten.
    Frag' mal einen Pharmakologen bzw. einen Arzt: Es gibt keinen - wiederhole - keinen belegten Tod durch Cannabiskonsum. Weltweit. Und: Man.kann.nicht.süchtig.werden. Die immer wieder auftretende Bezeichnung "haschischsüchtig" ist durch nichts belegbar.
    Weder das eine noch das andere lassen sich von Nikotin und Alkohol sagen, beide sind stark suchtbildend und im Überkonsum absolut tödlich. Von anderen Freizeitdrogen (Opiaten, Barbituraten, Alkaloiden, Speed, Meth, wasauchimmer) erst mal gar nicht zu reden.

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  6. Es gibt auch rein politische Argumente: Eine Legalisierung (besser: Entkriminalisierung) würde der Drogenmafia den Existenzgrund nehmen ...
    http://www.spiegel.de/video/legalisierung-von-marihuana-in-den-usa-video-1234396.html#oas.videobelegung=news

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  7. Sag mal kannst du diese Aussage:

    "Je öfter jemand am Schwarzmarkt einkauft, desto eher sinkt dann auch die Hemmschwelle verbotene Dinge zu tun."

    auch statistisch belegen ?

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  8. Gibt es "Drogentote" durch Cannabis?

    Anders als bei Alkohol oder vielen (auch rezeptfreien) Medikamenten sind bei Cannabis keine Todesfälle durch Überdosierungen bekannt.

    Experiemente an Affen, Nagetieren und Hunden lassen darauf schliessen, das die akute Toxizität des Cannabiswirkstoffs THC so gering ist, dass eine mehrhundert- bis mehrtausendfache Überdosis nötig wäre um einen Menschen zu töten. Diese ist bei üblichen Konsummethoden gar nicht erreichbar.

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  9. Bezüglich der Aussage "Je öfter jemand am Schwarzmarkt einkauft, desto eher sinkt dann auch die hemmschwelle verbotene Dinge zu tun." --> hier sind zum einen Steigerungen gemeint, z.B. wenn jemand oft am Schwarzmarkt Kontakt zu Dealern hat, der ist eher versucht härtere Drogen zu probieren als jemand, der z.B. nie von einem Dealer solche Drogen angeboten bekommt. Zum anderen geht es auch um Beschaffungskriminalität und andere kriminelle Handlungen. Wenn man in einem Milieu verkehrt, in dem solche Delikte nichts ungewöhnliches sind, dessen Wahrnehmung der sozialen Umwelt und der moralischen Wertehaltung verändert sich ja auch mit der Zeit.

    Ein Auszug aus http://www.bpb.de/izpb/7735/ursachen-von-kriminalitaet?p=all

    "Als Beispiel soll hier der unterschiedliche staatliche Umgang mit dem Drogenkonsum genannt werden. Der Erwerb und der Besitz von so genannten kulturfremden Drogen wie Heroin, Kokain oder Cannabis wird in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Betäubungsmittelgesetz bestraft. Dadurch werden, bedingt durch den vorhandenen Schwarzmarkt und das strafrechtliche Risiko, die Preise in die Höhe getrieben. Wegen der hohen Preise kommt es häufig zu einer sekundären Beschaffungskriminalität in Form von Einbrüchen, etwa in Apotheken (direkte Beschaffungskriminalität) sowie in Form von Raubüberfällen (indirekte Beschaffungskriminalität). "
    (Auch der Punkt "Lerntheorien" in dem Link wäre in dieser Sache interessant.)

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